1957 – Elijah war 1956 geschrieben worden – fand in Jerusalem eine Ideologie-Konferenz mit dem Titel ›Israels Mission und Zion‹ statt. Sie war wie die exakte moderne Wiederkehr des Gesprächs zwischen Elijah und König Achab in Dorátis Oper Der Künder, verkörpert hier durch Buber und Staatspräsident Ben-Gurion. Was Buber zu Ben-Gurion sagte, liest sich heute wie die Reinkarnation der klassischen Opposition zwischen König und Prophet im antiken Israel: Künder können nicht unabhängig von ihrer Mission begriffen werden, die sie zu denjenigen, die die Macht in Händen halten, entsandte, und zwar mit dem Auftrag, diese an ihre staatstragende Verpflichtung vor ihrem Gott zu erinnern. Gott habe sie ihnen schließlich nur vorbehaltlich anvertraut … Seit seiner Einwanderung nach Palästina im Jahre 1938 arbeitete Buber mit großem Engagement für die Verständigung zwischen Juden und Arabern. Mit der Gründung des Staates Israel hat sich die arabische Frage für Buber tatsächlich als Prüfstein für die Werte des Judentums erwiesen. Der gläubige Zionismus Bubers steht in scharfem Gegensatz zur sogenannten ›offiziellen‹ Realpolitik (oder eigentlich ›Macht‹-Politik, wie Buber es nannte), die die arabische Anwesenheit in Palästina ignorierte. Die einseitige Unterstützung der arabischen Angelegenheiten machte Buber im eigenen Land durchaus verdächtig. Einschätzungen, nach denen Bubers Kenntnisse der hebräischen Sprache anfangs nicht ausgereicht hätten, um sich ›verständlich‹ zu machen, später jedoch gut genug gewesen seien, um sich ›unverständlich‹ auszudrücken, machten die Runde. Buber wurde in Israel als ›ungewählter‹ Botschafter apostrophiert, weil er die Verwirklichung des zionistischen Werkes von der Zustimmung der Araber abhängig machte.
Das Erkennen innerer Dualität und die Notwendigkeit, sich zu entscheiden – in einer Art Vereinheitlichung der Seele – teilt ein Volk psychologisch in zwei Lager: Die einen wollen eine Entscheidung treffen: Sie verschreiben sich der Bedingungslosigkeit und sind ihren Zielen verpflichtet. Die anderen ergeben sich dem ›laissez-faire‹ und träger Unentschiedenheit. Ihr Ziel ist Selbstüberhöhung und Eigennutz – oder, in der Sprache der Bibel, handelt es sich entweder um Menschen, die Gott dienen oder Anhänger des Baal. Wir dürfen aber nicht vergessen, dass diese letzteren sich keineswegs etwa für Baal und gegen Gott entscheiden, sondern dass sie, wie Elijah kündet, zwischen den Ästen hin-und-her-hangeln. Man wählt nicht aus, Baal zu huldigen, man verfällt ihm. Mit anderen Worten: Man entscheidet sich nicht fürs ›Haben‹ (Baal ist der ›Besitzer‹, der das Haben predigt) und gegen das ›Sein‹, sondern wird vom ›Haben‹ verschlungen … Hitler, der moderne Baal, war die Exemplifizierung des Mannes, mit dem kein Dialog mehr möglich ist. Elijah spricht zum Volke von seinem eigenen Dialog mit Gott in einem bestimmten historischen Augenblick. Er ergibt sich keiner übergeordneten, göttlichen Instanz, die ihn instrumentalisiert, sondern handelt im Auftrag seiner inneren Stimme. Dafür belohnt Gott den Aufrichtigen mit Erlösung.
Buber wollte sein Leben lang nichts anderes als ein Geschichtenerzähler sein, der einfache Vorkommnisse schmucklos wiedergibt, nichts anderes als die Existenz menschlicher Wesen und was zwischen ihnen vorfällt, beschreibt. Für Buber war das Theater »dialogisches Begebnis« – die Spannung zwischen Mensch und Mensch, zwischen Verständnis und Missverständnis in einer konkreten Situation.